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Präsentationsdesign und Vortrag

Naked Presentation: Was bedeutet für mich «nackt» Präsentieren?

Garr Reynolds hat auf Posterous (und Twitter) die Frage gestellt, was «nackt» Präsentieren für seine Leser bedeutet. Er arbeitet grade an seinem neuen Buch «The Naked Presenter» («The Naked Presenter: Delivering Powerful Presentations with or Without Slides» bei Amazon vorbestellen). Dort werde ich sicher einen Kommentar hinterlassen (Englisch), aber auch hier möchte ich meine Gedanken dazu veröffentlichen.

Kutsche der Amish als Symbol für Verzicht auf TechnikUnter nackt Präsentieren verstehen viele den Verzicht auf jegliche visuellen Hilfsmittel. Aber ich denke, dass das Weglassen von Folien noch nicht bedeutet, nackt zu präsentieren. Auf der anderen Seite denke ich aber auch, dass nackt präsentieren sehr wohl mit Multimedia, Slides, Folien und anderen Hilfsmitteln möglich ist. Es geht darum authentisch zu sein.

Wenn man nackt präsentiert, bringt man die eigene Persönlichkeit ein. Es geht darum, authentisch zu sein – man selbst zu sein. Ein Vortrag wird uninteressant – oder im schlimmsten Fall lächerlich – wenn wir uns eine Maske überziehen. Wer hat nicht schon den humorlosen Kollegen erlebt, der plötzlich anfängt, auswendig gelernte Pointen aufzusagen; oder den sonst so lockeren Mitarbeiter, der Angst hat, beim Kunden könnte seine Art als unseriös aufgefasst werden und deswegen bierernst und verkrampft wird.

Die Erwartungen des Publikums

Wir müssen unsere Präsentationen auf die Adressaten ausrichten. Das bedeutet, dass wir unsere Ziele, unsere Argumente und unsere Geschichte für das Publikum aufbereiten. Auch bei der Verwendung von Fachbegriffen und der Wahl der Sprache orientieren wir uns an den Zuschauern. All das ist nötig, damit wir unser Publikum erreichen. Oft haben wir auch bestimmte Vorstellungen davon, welche Persönlichkeit unser Publikum im aktuellen Kontext erwartet. Wenn wir uns auch daran anpassen, verlieren wir unsere Natürlichkeit. Wir sind nicht echt - nicht nackt.

Nackter Mann mit Krawatte als Symbol für VerletzbarkeitWenn wir von etwas begeistert sind, zeigen wir es. Und wenn uns eine Sache wirklich am Herzen liegt, zeigen wir es. Wenn uns etwas berührt, zeigen wir es. Auch wenn wir vielleicht Angst haben, zuviel von uns preis zu geben, uns angreifbar und verletzbar zu machen. Wenn Apple das neue iPhone präsentiert, merken wir, wie begeistert die Beteiligten von ihrer Arbeit und ihrem Ergebnis sind. Wenn Garr Reynolds (What is Presentation Zen? auf YouTube) über Präsentationen spricht, merken wir, wie sehr ihm eine Verbesserung der Präsentationskultur am Herzen liegt. Wenn Jamie Oliver (Jamie Oliver's TED Prize wish: Teach every child about food) über die gesunde Ernährung von Kindern spricht, merken wir, wie sehr sie ihm am Herzen liegt, wie sehr ihn das Schicksal kranker, fettleibiger Kinder berührt. Wenn Bill Gates (Bill Gates on mosquitos, malaria and education bei TED.com) über die Ziele und die Arbeit seiner Stiftung spricht, merken wir, wie nah ihm das Schicksal der ärmsten Menschen auf dieser Welt geht. All diese Redner sind erfolgreich, weil sie bereit sind, nackt und verletzbar vor ein Publikum zu treten. Sie sind authentisch.

Jamie Oliver fordert radikales Umdenken wegen unserer Ignoranz beim Essen

Dieser Text erschien im Original am 12. Februar 2010 auf Presentation Zen unter dem Titel «Jamie Oliver calls for all-out assault on our ignorance of food». Die Übersetzung erfolgte durch prezentation.ch mit freundlicher Genehmigung des Autors Garr Reynolds. Folgt Garr auf Twitter unter @presentationzen.

Jamie Oliver bei der TED 2010Ich empfehle Euch dringend, diese neue Präsentation von Jamie Oliver («The Naked Chef») bei der TED 2010 anzusehen. Dieses Thema liegt mir sehr am Herzen, da schlechte Ernährungsgewohnheiten ein starker Einflussfaktor beim vorzeitigen Tod meines Vaters in meiner Kindheit waren. Eventuell habt Ihr bemerkt, dass ich bei einigen Slides in meinen Büchern und Seminaren OECD Daten zur Verbreitung von Fettleibigkeit rund um den Globus verwende. In den Industrienationen sind die Steigerungsraten bei der Fettleibigkeit dramatisch. Japan hat eine relativ geringe Fettleibigkeitsrate verglichen mit den USA. Diese Rate wächst aber unglücklicherweise, da die junge Generation Geschmack an Fast- und Convenience-Food gefunden hat. Ich stimme Jamie Oliver zu: Wir brauchen ein radikales Umdenken wegen unserer Ignoranz beim Essen. Schaut Euch die 20-minütige Präsentation unten oder auf der TED Webseite an.

Der Vortrag

Ich mochte diesen Vortrag besonders, weil seine Nachricht geradezu Lebenswichtig ist. Solange die Argumente klar und die Leidenschaft offensichtlich und aufrichtig ist, neige ich dazu, nachsichtig mit kleineren Unvollkommenheiten im Vortragsstil umzugehen. Idealerweise hätte ich gerne mehr visuelle Darstellungen von Daten gesehen, die einige seiner Annahmen unterstützen. Und es wäre besser gewesen, wenn er nicht so viel gelaufen wäre oder dem Publikum seinen Rücken nicht zugedreht hätte, um seine eigenen Folien anzuschauen. Das sind Dinge, mit denen wir uns bei unseren Vorträgen Gedanken machen müssen, aber ich denke bei seiner Berühmtheit und der Veranstaltung war die Präsentation sehr effektiv. Ich war inspiriert, Feuer und Flamme nach dieser Präsentation, aber bei mir rennt er damit auch offene Türen ein. Dennoch, es ist nicht falsch, von Zeit zu Zeit offene Türen einzurennen. Man kann die Welt nicht ganz alleine verändern; man braucht Gleichgesinnte, mit denen man gemeinsam kämpfen kann.

Jamie Oliver zeigt plastisch wieviel Zucker Kinder zu sich nehmen

Jamie Oliver zeigt die Menge an Zucker, die ein Kind nur aus seiner Schulmilch in fünf Jahren Grundschule zu sich nimmt — eine Schubkarre voller Zuckerwürfel.

Statistik beschreibt, welche Todesarten wie häufig vorkommenEine Sache, die ich besonders mochte, ist, dass Jamie Oliver am Anfang mithilfe eines einfachen Balkendiagramms ein gewichtiges Argument veranschaulicht. Wir seien unser Leben lang ängstlich wegen Dingen wie Morden, sagt Jamie Oliver «… es ist auf der Titelseite jeder Zeitung, CNN — schaut Euch den Balken für Morde an — ganz unten, um Himmels willen!» Das war eine starke Aussage, die sicher einige innehalten lies. Wir machen uns Gedanken um das wohlergehen unserer Kinder — Sind die Strassen sicher? Ist genug Polizei auf den Strassen? und so weiter. Währenddessen isst unsere Jugend Lakritz und trinkt haufenweise zuckerhaltige Getränke.

Einige sagen vielleicht, dass Jamie Oliver's Vortrag ein bisschen übertrieben oder zusammenhanglos sei. Aber ich denke, es war eine grossartige, unverblümte, nackte Präsentation. Er hat die Aufmerksamkeit der Menschen gewonnen und dabei noch Lösungen angeboten. Und er hat sein Publikum überzeugt.

Der Wunsch

«Ich wünsche mir Ihre Hilfe dabei, eine starke und nachhaltige Bewegung aufzubauen, um jedes Kind über Nahrungsmittel aufzuklären, Familien dazu anzuregen, wieder zu kochen, und die Menschen überall in die Lage zu versetzen, Fettleibigkeit zu bekämpfen.»

— Jamie Oliver

Ergänzung vom Übersetzer: Seit ich vor wenigen Wochen die Idee für dieses Blog hatte und vor wenigen Tagen damit begonnen habe, geisterte mir diese Präsentation im Kopf herum. Sie hat mich – ebenso wie Garr – berührt, motiviert und inspiriert. Als ich dann abends dasass und zu schreiben begann, habe ich zuerst bei Presentation Zen gesucht und diesen Artikel gefunden. Nun, statt einem eigenen Artikel ist daraus jetzt eine Übersetzung geworden. Aber der Inhalt ist es wert.

Halte Deine nächste Präsentation «nackt»

Dieser Text erschien im Original am 22. Oktober 2005 auf Presentation Zen unter dem Titel «Make your next presentation naked». Die Übersetzung erfolgte durch prezentation.ch mit freundlicher Genehmigung von Garr Reynolds.

Japanisches Thermalbad (Onsen)

Onsens (heisse Quellen) sind in Japan ein allgegenwärtiger Teil der Kultur. Der Akt des sich von den Kleidern befreien und mit anderen im Wasser zu sein, ist eine Form der Kommunikation. Im japanischen wird es «Hadaka no tsukiai» (necktie Kommunikation) genannt. Bei «Hadaka no tsukiai» bedeutet gegenüber Gleichgesinnten alles offenzulegen und die «Nackte Wahrheit» zu kommunizieren. Nackt sind wir alle gleich, unabhängig vom Rang. Zumindest in der Theorie führt diese Art des «Entblössens» zu besserer, ehrlicherer Kommunikation.

Das hat mich zu der Überlegung veranlasst: Was wäre, wenn wir darüber nachdenken, das Design und den Vortrag von Präsentationen auch mehr «nackt» angehen? Auf eine Art, die einfacher, frischer – vielleicht sogar ein bisschen frecher – und für Publikum und Vortragenden erfüllender ist. Also auf eine freiere Art. Frei von Sorgen. Frei von der Angst davor, was die Leute denken werden. Frei von Selbstzweifeln. Frei von Tricks und Spielereien und dem Zwang, diese einzusetzen. Frei davon, sich hinter irgendwas zu verstecken (einschliesslich Slides). Frei von der Angst, blossgestellt zu werden, die mit diesem Verstecken einher geht. Entferne alle Belastungen, sei im Augenblick, nackt … und gehe die Verbindung ein.

Nackt sein

Du kannst Dich nicht hinter Technik oder Slides verstecken.
Nackt zu sein bedingt, alles Unnötige abzustreifen um zum Wesentlichen Deiner Nachricht zu kommen. Der nackt Präsentierende gehen die Aufgabe an, indem sie sich begeistert den Ideen der Einfachheit, Klarheit, Aufrichtigkeit, Integrität und Leidenschaft öffnen. Sie präsentieren mit einer gewissen Frische. Die vorgetragenen Ideen mögen radikal, weltbewegend, neu sein – oder auch nicht. Aber der Ansatz und der Inhalt für die Präsentation sind neu und frisch. Und wenn sie Slideware benutzen, passen die Slides gut zum Vortrag und unterstützen die Nachricht. Die Slides sind synchron zum Vortrag, einfach und schön gestaltet. Sie drängen sich dabei aber nie in den Vordergrund oder gehen darüber hinaus, eine starke aber einfache unterstützende Rolle zu spielen.

Warum haben wir Angst davor, nackt zu sein?

Nackt zu präsentieren ist schwer. Das war aber nicht immer so. Als wir jünger waren und in der Grundschule etwas zeigen und erzählen sollten, wofür wir uns begeistern, waren wir aufrichtig und engagiert – manchmal waren wir so aufrichtig, dass die anderen Kinder gelacht haben und die Lehrer errötet sind. Aber es war so wirklich. Wir erzählten grossartige Geschichten … und wir waren grade mal sechs. jetzt sind wir erfahren und reif, wir haben hohe Schulabschlüsse und tiefgreifendes Wissen in wichtigen Bereichen … und wir sind langweilig.

Ein Grund dafür, dass wir so ausdruckslos sind, ist weil wir übervorsichtig sind. Wir haben Angst. Wir wollen alles sicher und perfekt haben, also denken wir zu viel und stellen uns damit viele Hürden in den Weg. Oder wir ziehen uns zurück – oft unbewusst – und gehen auf Nummer sicher, indem wir uns verstecken, hinter einer Liste von Bulletpoints, in einem abgedunkelten Raums, in einem Stil frei von Emotionen. Schliesslich wurde ja noch nie jemand dafür gefeuert, nur die Fakten darzustellen, oder?

Beim nächsten Mal – um Dich von der Masse abzuheben – versuche nackt zu präsentieren.

Wie man nackt präsentiert

Das ist keine vollständige Liste (also sendet mir Eure «Nackten Ideen»), aber es gibt ein paar Dinge, die man im Kopf haben sollte, wenn man nackt präsentiert.
Selbst gute Design ist noch kein Allheilmittel

  • Sei im Moment. Genau hier und genau jetzt. Beschäftige Dich nicht mit den Gedanken über die Zukunft, Gedanken darüber, zu welchen Ergebnissen Deine Präsentation führen wird. Frage nicht nach Ursprung und Ziel, wenn der aktuelle Moment dabei verloren geht. Wenn Du mit Deinem Publikum zusammen bist, zählt nur der Augenblick.
  • Versuche nicht, zu beeindrucken. Versuche stattdessen zu teilen, zu helfen, zu inspirieren, zu lehren, zu informieren, zu führen, zu überzeugen, zu motivieren … oder die Welt ein kleines bisschen besser zu machen.
  • Lasse das Licht an. Finde einen Kompromiss zwischen einem hellen Schirm (Leinwand/Monitor) und ausreichendem Licht, so dass das Publikum Dich sehen kann. Verstecke Dich nicht im Dunkeln – die Menschen sind ebenso gekommen, um Dich zu sehen, wie um Dich zu hören.
  • Vergesse das Rednerpult. gehe weg von allen Hindernissen, die zwischen Dir und Deinem Publikum stehen.
  • Benutze eine kleine Fernbedienung, die es Dir erlaubt, Dich frei auf der Bühne und im Raum zu bewegen.
  • Versuche Dich nicht zu verstecken. Was sollte das bringen? Weiche nicht aus, weder intellektuell noch körperlich.
  • Werde nicht abhängig von Deiner Software – wenn der Computer abstürzt … scheiss drauf. Es muss sofort weitergehen, nicht erst nach dem Neustart. Sowas passiert, mache einfach weiter. Deine Nachricht ist viel wichtiger als die Technik, die Dich unterstützt.
  • Halte es ganz einfach, alles. Einfache Ziele, klare Nachrichten und ausführliche Moderation.
  • Lass Deine Persönlichkeit durchscheinen. Bist Du nur ein bisschen frech? Dann sollte man das auch in Deiner Präsentation sehen. Warum eines der wichtigsten Merkmale verbergen, das uns von anderen abhebt?
  • Sei glaubwürdig.
  • Benutze keine Business-Sprache – spreche wie ein menschliches Wesen. Du kannst nicht nackt sein, wenn Du Dinge wie «best practices» oder «Paradigmenwechsel» sagst.
  • Sehe Dein Publikum als aktive Teilnehmer, nicht passive Zuhörer («Passive Zuhörer» = Oxymoron).
  • Fühle Dich wohl, wenn Du «nackt» bist. Dafür braucht es Übung und Selbstbewusstsein. Das Selbstbewusstsein kommt mit der Übung. Das Publikum hasst Arroganz und Grossspurigkeit, aber es liebt Selbstsicherheit … wenn sie echt ist.
  • Verziere nie Deine Nachricht oder Deine Slides. Verzierung ist nur Fassade. Design kommt aus der tiefe der Seele, Verzierung ist das Zuckerguss-«Happy Birthday», das auf eine schlechte Torte gesetzt wird.
  • – Denke in Bezug auf gutes Design daran, was eine gute Mahlzeit ausmacht: Denke an Balance, Harmonie, Abwechslung … und Inhalt, der den Teilnehmern Zufriedenheit und Begeisterung bringt, ihnen aber auch Lust auf mehr macht.

Dies ist nicht ansatzweise eine vollständige Liste. Deswegen hoffe ich, dass Ihr hier Eure Ideen zu anderen Wegen «nackt» zu präsentieren teilt. Ich freue mich darauf, von Euch zu hören.

100%ig nackt zu präsentieren mag nicht für alle Fälle angemessen sein, aber so viel wie möglich wegzulassen, uns zu beschränken, wird oft einen grossen, erfrischenden Unterschied machen. Das Ergebnis wird eine Präsentation sein, die anders und irgendwie realer ist, «real» wie ein offenes Gespräch unter Freunden. In meiner Erfahrung ist es so, dass je höher man in einer Unternehmenshierarchie geht, umso weniger «real» ist das Gesagte. Die Menschen in den höchsten Rängen der Unternehmen präsentieren nicht oft nackt, aber ich wünschte, sie würden.

Boris Bäsler

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