Anfang 2009 habe ich das Buch «Brain Rules» von John Medina gelesen (Brain Rules: 12 Principles for Surviving and Thriving at Work, Home, and School bei Amazon bestellen). Garr Reynolds hat es auf seinem Blog Presentation Zen empfohlen. Ende 2009 erschien dann die deutsche Übersetzung «Gehirn und Erfolg» (Gehirn und Erfolg: 12 Regeln für Schule, Beruf und Alltag bei Amazon bestellen). Nachdem ich jetzt auch die Übersetzung gelesen habe, fasse ich hier meine Erkenntnisse aus diesem Buch für meine Präsentationsgestaltung und -planung zusammen. Eine kurze Buchempfehlung gibt es auch bei Michael Gerharz auf seinem Blog Überzeugend Präsentieren.
Zunächst das Wichtigste: Ich kann jedem dieses Buch und die zugehörige Webseite (brainrules.net) nur empfehlen. Dr. John Medina ist Molekularbiologe und beschäftigt sich mit dem menschlichen Gehirn und seiner Entwicklung. Dieses populärwissenschaftliche Buch ist sehr unterhaltsam, spannend und bietet viele Erkenntnisse dazu, wie wir lernen und Erfahrungen verarbeiten. Mit «populärwissenschaftlich» meine ich hier: Es ist einerseits wissenschaftlich fundiert und andererseits auch für nicht-Molekularbiologen verständlich. Ich selbst bin Wirtschaftsinformatiker (also praktisch Betriebswirt) und sogar ich habe es verstanden.
Dr. John Medina liefert uns zwölf Regeln, wie unser Gehirn funktioniert. Er begründet jeweils wissenschaftlich, warum es so funktioniert, und hat Tips parat, wie wir diese Funktionsweise zu unserem Vorteil nutzen können. Beim Präsentieren sind nur einige dieser Regeln wichtig. Dennoch empfehle ich, dieses Buch ganz zu lesen. Es birgt viele Chancen und Ideen auch ausserhalb des Präsentationsraumes.
Regel #1: Bewegung stärkt den Geist
Wenn wir uns bewegen, erhöhen wir – unter anderem – die Transportleistung unseres Blutes. Die Blutbahnen werden grösser und somit kann mehr Blut durch den Körper transportiert werden. Auch unser Gehirn wird also besser mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt.
Was nützt uns das für unsere Präsentationen? Bei der Vorbereitung hilft es, von Zeit zu Zeit das Büro zu verlassen und eine Runde zu laufen, mit dem Rad zu fahren oder einfach spazieren zu gehen. Das fördert die Durchblutung unseres Gehirns. Für den Vortrag selbst nützt es uns wenig, obwohl natürlich generell gilt: Wenn wir körperlich fit sind, sind wir auch geistig fit. Und das schadet zumindest nicht beim Vortrag.
Nebenbei kann man daraus auch ableiten, dass eine gute Atmung wichtig ist. Auch sie sorgt dafür, dass unser Gehirn ausreichend mit Sauerstoff versorgt wird.
Regel #2: Das Gehirn ist ein Produkt der Evolution
Aus diesem Abschnitt habe ich mitgenommen, dass unser Gehirn besonders gut in den Dingen ist, die uns beim Überleben geholfen haben. Eines davon ist unser symbolische Denken, also die Fähigkeit, Dinge zu interpretieren. Wir sehen zum Beispiel ein Bild und assoziieren damit Gefühle. Bei einer Präsentation können (und müssen) wir uns diese Eigenschaft zu nutzen machen. Wir können so unsere Nachricht emotional unterstützen und eine Verbindung zu unserem Publikum aufbauen.
Regel #4: Langeweile ist der Feind der Aufmerksamkeit
Aus diesem Kapitel kann man unglaublich viel für Präsentationen mitnehmen. Eine der wichtigsten Fragen bei einem Vortrag ist doch: Wie bekomme und halte ich die Aufmerksamkeit der Teilnehmer?
Das schönste Zitat dazu von John Medina ist «People don't pay attention to boring things.»; auf Deutsch: «Menschen konzentrieren sich nicht auf langweilige Dinge.» Was lernen wir daraus? Wir müssen unsere Präsentationen nur interessant gestalten. Das ist ja einfach, aber wie genau machen wir das?
Wir haben weniger als eine Minute um die Aufmerksamkeit unserer Zuhörer zu gewinnen und können sie im Regelfall nur rund zehn Minuten bei einem Thema halten. Daraus ergibt sich die folgende Frage: Wie gewinnen wir die Aufmerksamkeit des Publikums und halten diese?
Gefühle erregen Aufmerksamkeit. Gefühle sind ein einfacher und sicherer Weg, unser Publikum zu erreichen. Wir können die Gefühle nutzen, indem wir eine Geschichte aus unserer Vergangenheit oder von anderen Menschen erzählen. Damit erinnern sich die Zuhörer an ihre eigenen Geschichten oder fühlen mit.
Struktur: Erst das Wesentliche, dann die Details. Wenn wir zuerst das Hauptargument bringen, können die Teilnehmer die anschliessenden Details einordnen. Wir erzeugen damit Struktur und Zusammenhang. Würden wir anders herum vorgehen, fehlt das Gesamtbild und die Details sind – im Moment – frei von Struktur und Zusammenhang. Damit wirken sie eher verwirrend als interessant.
Multitasking: Ein Mythos zum Vermeiden. Das menschliche Gehirn ist nicht in der Lage mehreren Dingen gleichzeitig aufmerksam zu folgen. Geben wir den Zuhörern unseren Plan, unser Ziel, können sie uns auf dem Weg folgen. Liefern wir diese Struktur nicht, ist unser Publikum abgelenkt – von seiner eigenen Frage: «Wo will der denn jetzt genau hin?»
Pausen: Zeit um Informationen zu verarbeiten Wir müssen unseren Teilnehmern die Chance geben, die aufgenommenen Informationen zu verarbeiten. Oft werden zu viele Informationen in zu wenig Zeit vermittelt. Im Gegensatz zum Stopfen von Enten um eine Stopfleber zu züchten (keine schöne Idee), kann man unser Gehirn nicht mit einem Stock dazu zwingen, beliebig viele Informationen aufzunehmen. Wie beim Essen brauchen wir Pausen zum Verdauen. Eine Pause bedeutet, für eine kurze Zeit keine neuen Informationen zu liefern.
Die zehn-Minuten-Regel
John Medina baut seine Vorlesungen in Blöcken von je zehn Minuten auf. Jeder Block behandelt ein einziges wichtiges Konzept, das innerhalb der ersten Minute erklärt wird. In den kommenden neun Minuten werden die zugehörigen Details vermittelt. Dabei wird auch immer wieder der Zusammenhang zum Hauptkonzept des Blockes hergestellt. Zu Beginn muss der Dozent die Gesamtstruktur erläutern – also welche Blöcke Teil des Vortrags sind.
Nach den zehn Minuten, muss der Lehrer sich die Aufmerksamkeit für die nächsten zehn Minuten wieder verdienen. Dazu nutzt Medina einen Köder, mit dem er die Aufmerksamkeit des Publikums an den Haken bekommt. Dieser Köder ist ein emotionaler Reiz. Er hat drei wichtige Eigenschaften:
- – Er löst ein Gefühl aus: Angst, Gelächter, Fröhlichkeit, Trauer, Nostalgie, Unglauben. Anekdoten (aus dem eigenen Leben oder aus dem betreffenden Fachgebiet) eignen sich sehr gut dafür.
- – Er ist für das Thema relevant: Zusammenhanglose Anekdoten oder Witze stören eher.
- – Er wird zwischen den Blöcken ausgeworfen, also am Ende des einen oder am Anfang des nächsten Blockes.
Regel #5: Wiederholung stärkt das Gedächtnis
Diese Regel und ihre Bedeutung für Präsentationen ist ganz einfach: Die wichtigen Punkte unserer Präsentation sollten wir wiederholen. Dafür eignet sich zum Beispiel die Wiederaufnahme einer Anekdote aus einem früheren Block oder eine Zusammenfassung am Ende eines Blocks oder des gesamten Vortrags.
Regel #7: Wer gut schläft, kann gut denken.
Natürlich ist guter Schlaf unseres Publikums wichtig, damit die Menschen unsere Botschaft verarbeiten können. Damit sie sie aufnehmen können, müssen sie aber wach bleiben. Wir haben also wenig Einfluss auf den Schlaf unserer Zuhörer ...
Was aber wichtig ist: Es gibt tatsächlich eine Tageszeit, zu der jeder Mensch zu einem Mittagsschlaf tendiert – der eine stärker als der andere. Das bedeutet, dass gegen 15 Uhr am Nachmittag die Aufmerksamkeit durch diese «Nap-Zone» eingeschränkt ist. Für unsere Präsentationen sollten wir diesen Zeitraum also unbedingt vermeiden.
Regel #9: Alle unsere Sinne wollen angeregt werden.
Die Forschung zeigt, dass die Integration mehrerer Sinne dabei hilft, die vermittelten Informationen besser aufzunehmen. Für uns bedeutet das zum Beispiel, unseren Vortrag mit passenden visuellen Hilfsmitteln anzureichern – Bildern, die unsere Botschaft unterstützen.
Regel #10: Das Sehen übertrifft alle anderen Sinne.
Diese Regel zeigt uns, dass unsere visuellen Hilfsmittel enorm wichtig sind. Zeigen wir ein Bild, das mit positiven Emotionen belegt ist (zum Beispiel ein Hundewelpe) und erzählen eine herzerwärmende Anekdote, in der ein Hundewelpe vorkommt, dann verstärkt das unsere Botschaft. Erzählen wir zu dem selben Bild eine Anekdote von einem schweren Unfall, schwächt das unsere Aussage massiv und das Publikum fühlt sich getäuscht.
Regel #12: Der Mensch kommt als Forscher zur Welt
Dinge, die wir selbst entdecken und erforschen, bleiben uns besser in Erinnerung als passiv aufgenommene Informationen. Wenn wir also das Publikum in unsere Entdeckung einbeziehen, erreichen wir viel mehr. Insbesondere im Lehrbereich ist das unglaublich wichtig.
Insbesondere die vierte Regel ist extrem interessant für uns Präsentierende. Deswegen arbeite ich im Moment schon an einem Artikel, der sich ausschliesslich damit befasst.
Die hier verwendeten Bilder stammen von iStockphoto.com. Die Bilder von John Medina und seinem Buch aus dem Mediakit auf brainrules.net.