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Präsentationsdesign und Vortrag

Halte Deine nächste Präsentation «nackt»

Dieser Text erschien im Original am 22. Oktober 2005 auf Presentation Zen unter dem Titel «Make your next presentation naked». Die Übersetzung erfolgte durch prezentation.ch mit freundlicher Genehmigung von Garr Reynolds.

Japanisches Thermalbad (Onsen)

Onsens (heisse Quellen) sind in Japan ein allgegenwärtiger Teil der Kultur. Der Akt des sich von den Kleidern befreien und mit anderen im Wasser zu sein, ist eine Form der Kommunikation. Im japanischen wird es «Hadaka no tsukiai» (necktie Kommunikation) genannt. Bei «Hadaka no tsukiai» bedeutet gegenüber Gleichgesinnten alles offenzulegen und die «Nackte Wahrheit» zu kommunizieren. Nackt sind wir alle gleich, unabhängig vom Rang. Zumindest in der Theorie führt diese Art des «Entblössens» zu besserer, ehrlicherer Kommunikation.

Das hat mich zu der Überlegung veranlasst: Was wäre, wenn wir darüber nachdenken, das Design und den Vortrag von Präsentationen auch mehr «nackt» angehen? Auf eine Art, die einfacher, frischer – vielleicht sogar ein bisschen frecher – und für Publikum und Vortragenden erfüllender ist. Also auf eine freiere Art. Frei von Sorgen. Frei von der Angst davor, was die Leute denken werden. Frei von Selbstzweifeln. Frei von Tricks und Spielereien und dem Zwang, diese einzusetzen. Frei davon, sich hinter irgendwas zu verstecken (einschliesslich Slides). Frei von der Angst, blossgestellt zu werden, die mit diesem Verstecken einher geht. Entferne alle Belastungen, sei im Augenblick, nackt … und gehe die Verbindung ein.

Nackt sein

Du kannst Dich nicht hinter Technik oder Slides verstecken.
Nackt zu sein bedingt, alles Unnötige abzustreifen um zum Wesentlichen Deiner Nachricht zu kommen. Der nackt Präsentierende gehen die Aufgabe an, indem sie sich begeistert den Ideen der Einfachheit, Klarheit, Aufrichtigkeit, Integrität und Leidenschaft öffnen. Sie präsentieren mit einer gewissen Frische. Die vorgetragenen Ideen mögen radikal, weltbewegend, neu sein – oder auch nicht. Aber der Ansatz und der Inhalt für die Präsentation sind neu und frisch. Und wenn sie Slideware benutzen, passen die Slides gut zum Vortrag und unterstützen die Nachricht. Die Slides sind synchron zum Vortrag, einfach und schön gestaltet. Sie drängen sich dabei aber nie in den Vordergrund oder gehen darüber hinaus, eine starke aber einfache unterstützende Rolle zu spielen.

Warum haben wir Angst davor, nackt zu sein?

Nackt zu präsentieren ist schwer. Das war aber nicht immer so. Als wir jünger waren und in der Grundschule etwas zeigen und erzählen sollten, wofür wir uns begeistern, waren wir aufrichtig und engagiert – manchmal waren wir so aufrichtig, dass die anderen Kinder gelacht haben und die Lehrer errötet sind. Aber es war so wirklich. Wir erzählten grossartige Geschichten … und wir waren grade mal sechs. jetzt sind wir erfahren und reif, wir haben hohe Schulabschlüsse und tiefgreifendes Wissen in wichtigen Bereichen … und wir sind langweilig.

Ein Grund dafür, dass wir so ausdruckslos sind, ist weil wir übervorsichtig sind. Wir haben Angst. Wir wollen alles sicher und perfekt haben, also denken wir zu viel und stellen uns damit viele Hürden in den Weg. Oder wir ziehen uns zurück – oft unbewusst – und gehen auf Nummer sicher, indem wir uns verstecken, hinter einer Liste von Bulletpoints, in einem abgedunkelten Raums, in einem Stil frei von Emotionen. Schliesslich wurde ja noch nie jemand dafür gefeuert, nur die Fakten darzustellen, oder?

Beim nächsten Mal – um Dich von der Masse abzuheben – versuche nackt zu präsentieren.

Wie man nackt präsentiert

Das ist keine vollständige Liste (also sendet mir Eure «Nackten Ideen»), aber es gibt ein paar Dinge, die man im Kopf haben sollte, wenn man nackt präsentiert.
Selbst gute Design ist noch kein Allheilmittel

  • Sei im Moment. Genau hier und genau jetzt. Beschäftige Dich nicht mit den Gedanken über die Zukunft, Gedanken darüber, zu welchen Ergebnissen Deine Präsentation führen wird. Frage nicht nach Ursprung und Ziel, wenn der aktuelle Moment dabei verloren geht. Wenn Du mit Deinem Publikum zusammen bist, zählt nur der Augenblick.
  • Versuche nicht, zu beeindrucken. Versuche stattdessen zu teilen, zu helfen, zu inspirieren, zu lehren, zu informieren, zu führen, zu überzeugen, zu motivieren … oder die Welt ein kleines bisschen besser zu machen.
  • Lasse das Licht an. Finde einen Kompromiss zwischen einem hellen Schirm (Leinwand/Monitor) und ausreichendem Licht, so dass das Publikum Dich sehen kann. Verstecke Dich nicht im Dunkeln – die Menschen sind ebenso gekommen, um Dich zu sehen, wie um Dich zu hören.
  • Vergesse das Rednerpult. gehe weg von allen Hindernissen, die zwischen Dir und Deinem Publikum stehen.
  • Benutze eine kleine Fernbedienung, die es Dir erlaubt, Dich frei auf der Bühne und im Raum zu bewegen.
  • Versuche Dich nicht zu verstecken. Was sollte das bringen? Weiche nicht aus, weder intellektuell noch körperlich.
  • Werde nicht abhängig von Deiner Software – wenn der Computer abstürzt … scheiss drauf. Es muss sofort weitergehen, nicht erst nach dem Neustart. Sowas passiert, mache einfach weiter. Deine Nachricht ist viel wichtiger als die Technik, die Dich unterstützt.
  • Halte es ganz einfach, alles. Einfache Ziele, klare Nachrichten und ausführliche Moderation.
  • Lass Deine Persönlichkeit durchscheinen. Bist Du nur ein bisschen frech? Dann sollte man das auch in Deiner Präsentation sehen. Warum eines der wichtigsten Merkmale verbergen, das uns von anderen abhebt?
  • Sei glaubwürdig.
  • Benutze keine Business-Sprache – spreche wie ein menschliches Wesen. Du kannst nicht nackt sein, wenn Du Dinge wie «best practices» oder «Paradigmenwechsel» sagst.
  • Sehe Dein Publikum als aktive Teilnehmer, nicht passive Zuhörer («Passive Zuhörer» = Oxymoron).
  • Fühle Dich wohl, wenn Du «nackt» bist. Dafür braucht es Übung und Selbstbewusstsein. Das Selbstbewusstsein kommt mit der Übung. Das Publikum hasst Arroganz und Grossspurigkeit, aber es liebt Selbstsicherheit … wenn sie echt ist.
  • Verziere nie Deine Nachricht oder Deine Slides. Verzierung ist nur Fassade. Design kommt aus der tiefe der Seele, Verzierung ist das Zuckerguss-«Happy Birthday», das auf eine schlechte Torte gesetzt wird.
  • – Denke in Bezug auf gutes Design daran, was eine gute Mahlzeit ausmacht: Denke an Balance, Harmonie, Abwechslung … und Inhalt, der den Teilnehmern Zufriedenheit und Begeisterung bringt, ihnen aber auch Lust auf mehr macht.

Dies ist nicht ansatzweise eine vollständige Liste. Deswegen hoffe ich, dass Ihr hier Eure Ideen zu anderen Wegen «nackt» zu präsentieren teilt. Ich freue mich darauf, von Euch zu hören.

100%ig nackt zu präsentieren mag nicht für alle Fälle angemessen sein, aber so viel wie möglich wegzulassen, uns zu beschränken, wird oft einen grossen, erfrischenden Unterschied machen. Das Ergebnis wird eine Präsentation sein, die anders und irgendwie realer ist, «real» wie ein offenes Gespräch unter Freunden. In meiner Erfahrung ist es so, dass je höher man in einer Unternehmenshierarchie geht, umso weniger «real» ist das Gesagte. Die Menschen in den höchsten Rängen der Unternehmen präsentieren nicht oft nackt, aber ich wünschte, sie würden.

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